

HIV soll eine Nebenrolle für Dich spielen. Welche Rolle können andere Medikamente bei meinem Therapieerfolg spielen?
Klares Ziel der HIV-Therapie ist eine Viruslast unter der Nachweisgrenze. Um dieses Ziel zu erreichen, sind nicht nur HIV-Medikamente wichtig. Auch ganz andere Substanzen, Medikamente und Nahrungsmittel können den Therapieerfolg beeinflussen.
Damit die Viruslast dauerhaft unter der Nachweisgrenze bleibt, braucht es eine konstante, ausreichende Menge an HIV-Medikamenten im Körper. Daher ist die regelmässige Einnahme so wichtig. Wie oft ein Medikament eingenommen werden muss, hängt davon ab, wie schnell es vom Organismus aufgenommen, verteilt und wieder abgebaut wird.
Im Körper können sich manche Substanzen oder Nahrungsmittel gegenseitig beeinflussen. Dieser Vorgang wird Wechselwirkung genannt. Wechselwirkungen betreffen auch Medikamente für die HIV-Therapie. Andere Substanzen können die Aufnahme, die Verteilung oder den Abbau von HIV-Medikamenten verstärken, verlangsamen oder beschleunigen. Das bewirkt, dass sich zeitweise zu viel oder zu wenig HIV-Wirkstoffe im Organismus befinden, was sich auf die Therapie ungünstig auswirken kann.
Prof. Matthias Cavassini vom Universitätsspital Lausanne evaluiert mit seinen Patient:innen systematisch die Frage der Wechselwirkungen von Medikamenten:
«Dies erfordert eine gute Aufklärung über die von anderen medizinischen Fachpersonen verschriebenen Medikamente sowie über die Medikamente oder Substanzen, die eine Person in «Selbstmedikation» einnimmt. Etwa 60% der Menschen, die in der Schweiz mit HIV leben, sind über 50 Jahre alt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie andere Medikamente einnehmen, ist daher sehr hoch. Um den langfristigen Erfolg der Behandlung zu gewährleisten, ist es wichtig, gemeinsam zu überprüfen, dass es keine gefährlichen Wechselwirkungen zwischen HIV-Medikamenten und anderen Medikamenten gibt.»
Ein Beispiel ist die Wechselwirkung von HIV-Medikamenten und Abführmitteln. Abführmittel bewirken, dass die Nahrung schneller durch den Darm transportiert wird. Wird gleichzeitig mit einem Abführmittel auch ein HIV-Medikament eingenommen, bleibt dieses weniger lang als üblich im Darm und eine geringere Dosis als üblich wird vom Organismus aufgenommen. Aus diesem Grund sollten Abführmittel – dazu gehören auch pflanzliche Mittel wie etwa Leinsamen – frühestens zwei Stunden nach der Einnahme von HIV-Medikamenten geschluckt werden. Vor diesem Hintergrund sollte immer die jeweilige Patient:inneninformation und die behandelnde Fachperson konsultiert werden.



Abführmittel, Johanniskraut und Nahrungsergänzungsmittel – in Wechselwirkung mit HIV-Medikamenten ist hier Vorsicht geboten
Die Leber spielt für Wechselwirkungen eine wichtige Rolle, denn in diesem Organ werden viele Substanzen – auch HIV-Medikamente – um- und abgebaut. Manche Wirkstoffe können den Abbau in der Leber beschleunigen, beispielsweise Produkte aus Johanniskraut. Werden HIV-Medikamente und Johanniskrautprodukte gleichzeitig eingenommen, bewirkt das Johanniskraut, dass die HIV-Medikamente zu schnell abgebaut werden. Daher darf eine HIV-Therapie nicht gemeinsam mit Johanniskraut eingenommen werden.
Diese zwei Beispiele zeigen: Wechselwirkungen zwischen HIV-Medikamenten und anderen Substanzen können vorkommen. Nicht nur verschreibungspflichtige Medikamente können Wechselwirkungen auslösen, sondern auch «harmlose» Nahrungsmittel, pflanzliche Wirkstoffe, Medikamente aus der Drogerie oder Präparate wie Vitamintabletten. Deshalb ist es wichtig, dass die medizinische Fachperson weiss, welche anderen Medikamente und Substanzen eine Person, die mit HIV lebt, einnimmt – nur so kann die behandelnde Fachperson die HIV-Therapie so anpassen, dass möglichst keine Wechselwirkungen auftreten.
Prof. Catia Marzolini von den Universitätsspitälern Basel und Lausanne hat das Thema «Wechselwirkungen» immer im Blick:
«Die HIV-Behandlungen haben sich im Laufe der Jahre stark verbessert, da sie besser verträglich und leichter einzunehmen sind. Darüber hinaus haben moderne antiretrovirale Medikamente den Vorteil, dass sie kaum noch Wechselwirkungen hervorrufen, doch sind die Therapien nicht frei von Wechselwirkungen, die ihre Wirksamkeit beeinträchtigen könnten. Um sicherzustellen, dass die HIV-Behandlung erfolgreich bleibt, ist es daher wichtig, dass die medizinische Fachperson vor der Einnahme neuer Medikamente konsultiert wird, auch solche, die im Handel erhältlich sind, wie z.B. Vitamine, Mineralstoffe oder pflanzliche Präparate.»

